Text: Lukas Brexler, Fotos: Bernd Limbach
Mit dem Abschluss der Ausbildung zum Trainer C Bergsteigen im Sommer 2014 durch Bernd Limbach und Lukas Brexler war es für die Sektion Beckum nach über 15 Jahren wieder möglich, Hochtourenkurse anzubieten. Dieser Vorsatz wurde im August 2015 umgesetzt. Mit sieben Teilnehmern machten sich die beiden Ausbilder am frühen Morgen des 22. August auf den weiten Weg ins Pitztal in den Ötztaler Alpen. Schon die Anreise wurde zu einer kleinen Herausforderung, galt es doch einen zweistündigen Stau am Fernpass so zu überstehen, dass der Gepäcktransport hinauf zur Hütte noch planmäßig durchgeführt werden konnte. Alle waren doch noch rechtzeitig am vereinbarten Treffpunkt – bis auf Uwe, Bernd und Ludger. Kameradschaftlich verteilten wir die notwendigste Ausrüstung auf alle Schultern und organisierten einen erneuten Gepäcktransport für den nächsten Tag, sodass wir gegen 15:30 Uhr endlich ab dem Seilbahnparkplatz in Mandarfen das weite Taschachtal hinauf zur Hütte steigen konnten.
Das Taschachhaus auf 2.435 m ist ein moderner Ausbildungsstützpunkt, der viele Gipfelziele und Übungsmöglichkeiten bietet. Auch die kulinarische Verpflegung war hervorragend: Frühstücksbuffet und 4-Gang-Abendmenü gibt es nicht auf jeder Berghütte. Die freundlichen Hüttenpächter Barbara und Christoph trugen ebenfalls zu einer guten Stimmung bei.
Am Sonntag war das Wetter noch gut, bevor eine Kaltfront durchziehen sollte. Wir nutzten das zu einer ersten Ausbildungseinheit auf dem stark abgeschmolzenen Taschachferner, der in ca. einer guten Stunde Fußmarsch von der Hütte entfernt liegt. Um sich mit Steigeisen auf einem Gletscher sicher bewegen zu können, stand zunächst die richtige Steigeisentechnik auf dem Lehrplan. Anschließend wurde es ernst: Was tun, wenn es zu einem Spaltensturz kommt? Richtig: die lose Rolle anwenden! Eine kleine Gletscherspalte war das geeignete Umfeld zur Übung der Kameradenrettung. Der erste Tag verging wie im Flug und Spaß hatten wir beim Abendessen mit Uwes Geschichten und Lukas‘ Sprüchen umso mehr.
Der Montag brachte die erwartete Kaltfront. Und daher konnten sich alle nach dem Frühstück nochmal eine Stunde ins Bett legen, weil die Ausbilder höchstmotiviert einen zu frühen Startzeitpunkt ausgerufen hatten. Doch bald hatten sich die Regenwolken etwas verzogen, dafür den starken Windböen Platz gemacht. Im Hüttenumfeld wurde das Gehen am Fixseil und Abseilen geübt. Der starke Wind veranlasste uns, die Mittagspause bei Kaiserschmarrn in der Hütte zu verbringen, bevor dann mit vollem Bauch die Selbstrettung aus der vermeintlichen Gletscherspalte gelehrt wurde. Aber auch nur bis zur Kaffeezeit, denn der herrliche Apfelstrudel musste ja auch probiert werden! Leider ohne Sahne, denn sonst hätte das eingangs erwähnte Abendmenü keinen Platz mehr im Magen gefunden.
Am Dienstagmorgen schien zwar nicht die Sonne, wir wollten das etwas besser gewordene Wetter aber trotzdem für eine erste Tour nutzen. Um ein Gefühl für die Länge des Taschachferners und damit den Weg zur Wildspitze zu bekommen, querten wir riesige Spalten oder mussten diese weiträumig umgehen. In einer Höhe von ca. 3.000 m bekamen wir die Wildspitze erstmals zu Gesicht: noch immer ganz schön weit weg! Im Abstieg wurde im Eisbruch im Steileis geklettert und der tote Mann vergraben. Was damit gemeint ist? Das könnt ihr auf dem nächsten Ausbildungskurs lernen! Nur so viel: Gestorben ist keiner.
Die erste „richtige“ Tour wurde für den Mittwoch geplant. Das Wetter war perfekt angesagt, daher sollte es auf das Taschachhochjoch gehen. Doch beim Zustieg zum Sexegertenferner rieben wir uns die Augen: Warum ist da ein Klettersteig? Ganz einfach: Der Weg über den Sexegertenferner ist aufgrund der Gletscherschmelze zu gefährlich geworden, daher wurde ein Steig über die daneben liegenden Gletscherschliffplatten errichtet. Dumm nur, dass wir keine Klettersteigsets mit uns trugen. Daher wechselten wir die Richtung und querten zum Weg, der uns auf die Hintere Ölgrubenspitze bringen sollte. Über ein steiles Eisfeld erreichten wir den Gipfelgrat, den wir bis zum höchsten Punkt durch Blockgelände erkletterten. Es bot sich eine fantastische Aussicht von der Berninagruppe über die Ötztaler Alpen bis zum Karwendel. Der Abstieg war Formsache, und wir konnten uns mal wieder an den herrlichen Speisen am Taschachhaus satt essen.
Am Donnerstag starteten wir bei wieder bestem Wetter den zweiten Versuch, über den Klettersteig zum Sexegertenferner aufzusteigen. Die Ausbilder hatten sich eine ausgeklügelte Taktik überlegt, alle Teilnehmer sicher und zügig zu sichern. Mithilfe eines Fixseiles wurde der Klettersteig abgesichert und nach einer guten Stunde standen alle auf dem immer weiter schmelzenden Gletscher. Über den Urkundsattel erreichten wir das Taschachjoch. Auf der anderen Seite des Jochs lag der Vernagtferner. Bernd seilte alle Teilnehmer auf diesen Gletscher hinab, damit wir über diesen zum Taschachhochjoch kamen. Ein anstrengender Schlussaufstieg war die Mühe für den wirklich atemberaubenden Tiefblick bis zur Hütte! Der Rückweg wurde mit dem Wiederaufstieg zum Taschachjoch (Sicherung – na klar über ein Fixseil) und spannenden Momenten in der Spaltenzone des Taschachferners zu einem Erlebnis. „Über sieben (Spalten-)Brücken musst du gehn“ – aber ohne zu wissen, ob diese auch halten! So oder ähnlich hätte das Motto lauten können.
Der Höhepunkt der Ausbildungswoche war ganz bewusst auf den Freitag gelegt. So konnten wir uns im Laufe der Woche optimal für eine Besteigung der Wildspitze akklimatisieren. Früh um 4 Uhr gab es bereits Frühstück, sodass wir um 4.45 Uhr abmarschbereit waren. Noch im Dunkeln wurden am Taschachgletscher Gurt und Steigeisen angelegt, bevor der Sonnenaufgang für alle Mühen entschädigte. Langsam, aber stetig gewannen wir an Höhe und querten die erste Spaltenzone. Nach dem Anseilen ging es wild zwischen Spalten und unter Seracs hindurch, bevor nach zwei Steilstufen das Mitterkarjoch erreicht wurde. Was waren hier für Menschenmassen unterwegs! Doch mit der richtigen Absprache war der Stau am Gipfelgrat kein Problem, so dass wir pünktlich um 10 Uhr nach etwas mehr als fünfstündiger Gehzeit das Gipfelfoto schießen konnten. Ein herrlicher Rundblick und die Freude in den Gesichtern der Teilnehmer waren die Mühen des langen Aufstieges wert! Doch der Abstieg ist genauso lang, sodass wir uns nach einer Rast wieder auf den Rückweg zur Hütte machten. Begrüßt wurden wir dort nicht nur vom Wirt, sondern auch von einigen Teilnehmern, die sich gegen die Wildspitze und für einen Ruhetag in Hängematte und Liegestuhl entschieden hatten. Den Abend nach dem offiziellen Kursschluss ließen wir mal wieder ganz gemütlich in der Gaststube ausklingen.
Am Samstagmorgen trennten sich die Wege: Die einen stiegen direkt ab, andere nahmen noch „mal eben“ den Wurmtaler Kopf auf dem Rückweg zum Auto mit. Auch für uns Ausbilder war es ein Kurs, in dem wir noch viel gelernt haben. Es war eine schöne Hochtourenwoche, die wir in dieser Form auch 2016 wieder anbieten wollen.