Schlacke am Kessel – warum es zielführend sein kann, zu früh abzubiegen!
Eigentlich wollte ich ja nur wandern, aber wer sichert dann im Vorstieg? Also ging es bei bestem Kletterwetter mit zwei Seilen, einer wohlfeilen Auswahl Metall für die alpine Sicherung, guter Laune und dem granitharten Vorsatz, an der „Hexenküche“ die eine oder andere Route zu bezwingen, das „Hessental“ hinauf. Unsere Wandergesellschaft folgte dem Wirtschaftsweg Richtung „Kästehaus“, der Erinnerung des letzten Jahres gemäß wähnten wir uns auf dem richtigen Zustieg. Allerdings stellte sich nach dem späteren intensiven Studium von „Paules Kletterbibel“ heraus, dass die Erinnerung trügerisch war und die Hexe uns nicht in ihre Küche, sondern zum „Schlackenturm“ geleitet hatte. Unübersehbare Vorteile waren hier der schattige Wandfuß und nicht zu verachtende Strukturen. Also folgten wir dem O-Ton von Felsnovize Alex: „Och, da rechts an der Seite müsste man doch gut hochkommen!“ und Felssenior Bernd baute die Sicherung für den verblockten Zickzackpfad mit Tritten, Griffen, Nasen und ähnlich aufstiegsförderndem Charakter vom Felskopf ein.
Alex flog nahezu dem Felskopf entgegen und sein behendes Steigen verleitete die Zuschauer nicht nur zum Staunen und Jubeln, sondern zum Nachstieg. Und nun trat er zum ersten Mal in Aktion: der „Mojito des Grauens“! Wie sich herausstellte, setzte Felsnovizin Beate ihre Treter als Universalwaffe ein: wandern und klettern mit einem Schuh. Da zeigte sich dann mal wieder, dass, wer rauf will, auch rauf kommt. In Fleisch, Blut und Gewissen war auch übergegangen, dass Metall im Fels (Bohrhaken, Bühler, auch Schlaghaken von 1912) nur mit Gerät, aber nicht mit den Fingern genutzt werden.
Felsnovizin Nicola hätte sich für die ersten „grünen Tritte“ Profil im Kletterschuh gewünscht, fand aber im Einstieg eine weiche Hilfe und ihren Weg nach oben. Und ich, die Immer-mal-wieder-Felsnovizin, stellte erneut fest, dass ich theoretisch gute Ideen und pädagogisch (mehr oder weniger) hilfreiche Tipps geben kann, aber im praktischen Umsetzen dann nicht mehr zwischen Freund und Feind zu unterscheiden vermag. Gerade noch Nicola die Felsnase als „Freund“ unter die Kletterpatschen gelobt, wurde sie für die eigene Hand zum „sloperigen Feind“. Klettern ist und bleibt eben nicht nur ein Individualsport im Rudel, sondern auch individuell.
Das Vertrauen ins Material und die Sicherung war gelegt und gegeben, also verlängerte Bernd nach seinem Ausstieg oben den Umlenker an einen benachbarten Riss. Alex schrubbte sich wiederum als Erster erfolgreich durch den Riss und über die Kante nach oben und hinterließ so eine eigentlich gut geputzte Route für die Damen (und den Senior am Fels). Beate piazzte sich auch gleich locker und entspannt in die Route, grätschte leichtfüßig in die Spalte und bei der zuschauenden Menge formte sich ein faszinierender Gedanke: „Was macht die Frau erst, wenn sie Kletterschuhe trägt?“
Weitere Begehungsversuche gewann der Riss, denn Nicola und ich wurden Opfer des Einstiegs, der Kraft rauben konnte. Aber was sollʼs? Im nächsten Jahr steht der Fels hier auch noch und dann können weitere Anläufe gemacht werden ohne aufgeschrappte Finger und mit neuer Power.
Am frühen Vormittag halbierte sich die Gruppe der Alpinisti und wir verabschiedeten uns von Alex und Nicola, die sich auf den Heimweg machen mussten.
Nach einem leckeren Päuschen am immer noch schattigen Felsfuß machten wir uns auf, um neue Felsen zu finden, denn langsam beschlich uns der Verdacht, nicht an der „Hexenküche“ gelandet zu sein. Bernd fand uns schließlich in der Klettertopo wieder und wir stiegen wieder auf den Wirtschaftsweg Richtung „Kästehaus“ ein. Und wenn man schon einmal da ist, kann man auch gleich dem unbedingt zum Klettererlebnis gehörenden Kaffeegenuss (oder Eis oder Buttermilch oder Saftschorle) frönen, um Entscheidungen zu treffen, denn die „Kästeklippe“ und die „Hexenküche“ standen in greifbarer Nähe.
Auf der Aussichtsplattform „Kästeklippe“ schämten wir uns jedoch fremd für die Gattung Mensch, und weil DAV auch Umweltschutz bedeutet und jemand eine Rolle Mülltüten hinterlassen hatte, sammelten wir Dosen, Flaschen, Kippen, „Klopapier“, Scherben, Schachteln, Kronkorken und was „Väter und die, die sie dazu machen oder es noch werden wollen“, haben fallen lassen. Wohin nun mit dem Müll? Im Kästehaus fanden wir „Müllabladegnade“, denn obwohl der Wirt seinen Müll 14 km selbst abtransportieren muss, nahm er den gesammelten Müll noch an, denn schließlich blüht ja auch seine Gastronomie in sauberer Natur erholt auf. An der Hexenküche bezwangen Bernd und Beate noch einen entzückenden, alpinen Gipfel, bevor es den Marsch zurück zum Basislager anzutreten galt. Ein schöner Alpintag bei bestem Wetter, abwechslungsreichen Wanderungen und Klettereien im Kreis fröhlicher und netter Leute liegt im Speicher bereichernder Erinnerung. Und das ist doch das eigentliche Ziel, oder nicht?
Sandra Fedeler, verfasst am 7. Juni 2017, erlebt am 27. Mai 2017